Entstehungskontext des Gender-Ausschusses
von Andrea Griesebner, Februar 2025
Der Gender-Ausschuss verfügt über eine fast 40 jährige Geschichte und hat als Gremium mehrere Universitätsreformen überdauert. Um feministische Lehre an österreichischen Universitäten zu ermöglichen, richtete Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg (1970–1983) kurz vor Ende ihrer Amtszeit ein Sonderkontingent ein, welches der Frauenforschung bzw. feministischen Lehre gewidmet war. In den ersten Jahren mussten die Anträge zur Finanzierung der Lehre aus dem „Frauentopf", wie das Sonderkontingent ironisch genannt wurde, direkt beim Ministerium gestellt werden.
Frauenforschungskommission der Geistes- und kulturwissenschaftlichen Fakultät (1986-2000)
Nachdem sich die Universitäten verpflichtet hatten, „Frauenforschungskommissionen" an den Universitäten einzurichten, die künftig über die Vergabe der Lehraufträge entscheiden sollten, übertrug das Ministerium dieses Sonderkontingent den Universitäten. Die damalige Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät richtete 1986 eine Frauenforschungskommission ein, die ab diesem Zeitpunkt die Anträge sichtete und über deren Genehmigung entschied.
Unter Wissenschaftsminister Erhard Busek (1989-1994) wurde die Sonderfinanzierung der Frauenforschung zwar institutionalisiert, gleichzeitig aber auch das Kontingent begrenzt. Mit Erlass vom 31. März 1989 errichtete Busek ein „Sonderkontingent für remunerierte Lehraufträge zum Thema Frauenforschung", welches 147 Stunden österreichweit umfasste. Nach umfangreichen Protesten erhöhte der Wissenschaftsminister das Sonderkontinent auf 200 Stunden, wovon die Hälfte der Universität Wien zugewiesen wurde.
Das steigende Lehrangebot im Bereich der Frauenforschung bzw. feministischen Forschung änderte wenig daran, dass die wissenschaftlichen Stellen an den Universitäten weiterhin an Männer vergeben wurden. Um auch vermehrt Frauen die Möglichkeit zu bezahlter Forschung und damit auch zur weiteren wissenschaftlichen Qualifizierung zu ermöglichen, schuf das Wissenschaftsministerium spezielle Habilitationsprogramme für Wissenschaftlerinnen, deren Vergaben dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, kurz FWF, zugewiesen wurden.
Zur Förderung der feministischen Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften richtete das Wissenschaftsministerium 1998 die nach Käthe Leichter benannte Käthe-Leichter Gastprofessur ein, die an der Universität Wien verankert wurde. Die Entscheidung über die Vergabe der Käthe Leichter Gastprofessur wurde der Frauenforschungskommission übertragen, welche 1999 die erste Gastprofessur an Ute Gerhard vergab.
Gender-Ausschuss der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät (2000-2003)
Mit der Implementierung des UOG 1993 wurde die Frauenforschungskommission ab Jänner 2000 zu einem Ausschuss und der Vizerektorin für Personalangelegenheiten und Frauenförderung, Gabrielle Moser (1999-2003), unterstellt. Der Ausschuss, nun mit dem Zusatz ‚für Frauenforschung und Gender Studies der geistes- und kulturwissenschaftlichen Fakultät‘ versehen, blieb für die Vergabe der Lehraufträge und der Käthe Leichter Gastprofessur zuständig. In seiner zweiten Amtszeit (2003-2007) löste Rektor Georg Winkler das Vizerektorat für Frauenforschung auf und übertrug dessen Agenden dem Vizerektor für Lehre, Arthur Mettinger (1999-2011). Ab diesem Zeitpunkt unterstand der Ausschuss dem Vizerektorat für Lehre.
Gender-Ausschuss der kulturwissenschaftlichen Fakultäten (seit 2004)
Das OG 2002, welches mit 1. Jänner 2004 in Kraft trat, schaffte die Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät an der Universität Wien ab. Die bestehenden Einrichtungen wurden bereits existierenden oder einer der beiden neu geschaffenen Fakultäten – der Historisch-Kulturwissenschaftlichen und der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät – zugeteilt. Mit Zustimmung von Vize-Rektor Arthur Mettinger widersetzte sich der Ausschuss seiner Auflösung und erfüllte von nun an als Gender-Ausschuss der kulturwissenschaftlichen Fakultäten seine Aufgaben überfakultär, d.h. für die beiden kulturwissenschaftlichen Fakultäten.
Zur Finanzierung des unter dem Vizerektorat von Arthur Mettinger an der Fakultät für Sozialwissenschaften eingerichteten Masterstudiums Gender Studies wurden zunehmend Lehrauftragsstunden des Sonderkontingents in dieses neue Masterstudium verschoben. Konnte der Gender-Ausschuss im Studienjahr 1990/91 noch über die Vergabe von 37 Stunden entscheiden, waren es in den letzten zehn Jahren nur noch 18 Stunden bzw. neun Lehraufträge.
Der Gender-Ausschuss wurde von der neuen Vizerektorin für Lehre, Christa Schnabl (seit 2011) beibehalten. Unverändert blieben auch die Kompetenzen des Gender-Ausschusses, wenngleich, bedingt durch die Universitätsreformen und Änderungen im Studienrecht, die administrativen Prozesse immer wieder adaptiert werden mussten.
Bezüglich der Kaethe Leichter-Gastprofessur entschied bis zum UG 2002 der Gender-Ausschuss auf Basis von Anträgen der Institute in einem ersten Schritt darüber, welchem Institut die Käthe Leichter Gastprofessur zugewiesen werden sollte. Das Institut schrieb die Gastprofessur aus und erstellte eine Reihung der eingegangenen Bewerbungen, über welche der Gender-Ausschuss in einem zweiten Schritt entschied. Um die lange Vorlaufzeit zu verkürzen, eröffnete der Gender-Ausschuss den Instituten auch die zusätzliche Option, Anträge für eine geblockte Gastprofessur ad personam zu stellen, eine Option, die von den Instituten zunehmend favorisiert wurde.
Ab dem Studienjahr 2017 wurde die Kaethe Leichter Gastprofessur nur noch fakultätsintern ausgeschrieben und als geblockte Gastprofessur vergeben. Vorgaben der Dekan:innen der kulturwissenschaftlichen Fakultäten erforderten eine weitere Adaption. Ab dem Studienjahr 2025 wird die Käthe Leichter Gastprofessur nicht mehr ad personam geblockt vergeben, sondern mit einem vom Gender-Ausschuss festgelegten Schwerpunkt für 5,5 Monate öffentlich ausgeschrieben. Die Bewerbungen sind nun an das Job Centre der Universität zu richten. Die von den Dekanaten aufbereitetet Bewerbungsunterlagen werden vom Gender-Ausschuss gesichtet, der den Dekan:innen einen Besetzungsvorschlag vorgelegt.
Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Gender-Ausschusses (ab 2000)
Vorsitzende
- Univ.-Prof. Dr. Margarethe Rubik: 2000-2006
- Univ.-Prof. Dr. Marion Meyer: 2006-2016
- Univ.-Prof. Dr. Andrea Griesebner: 2016-2025
stellv. Vorsitzende:
- Univ.-Prof. Dr. Johanna Laakso (seit 2000)
Zum Weiterlesen
Anette Baldauf, Andrea Griesebner und Klaus Taschwer, Auf der Suche nach möglichen Ursachen für die Unterrepräsentanz von Wissenschaftlerinnen im universitären Feld Österreichs, in: L'Homme. Z.F.G., 2.Jg./Heft 2/1991, 77-97.
Anette Baldauf, Ingvild Birkhan und Andrea Griesebner, Ein kurzer Bericht zur 'Initiative für eine Stärkung der Frauenforschung und ihrer Verankerung in der Lehre' an der Universität Wien, in: L'Homme. Z.F.G., 1.Jg./Heft 1/1990, 89-97.
Andrea Griesebner, Die Wiener 'Initiative für eine Stärkung der Frauenforschung und ihrer Verankerung in der Lehre' - ein Bericht, in: Materialen zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Bd. 3, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Wien 1994, 61-74.